Er verging wie der Rauch
Literarische Collage über den Ersten Weltkrieg von Reiner Müller
Inszenierung Reiner Müller
Ausstattung Elisabeth Benning
Mit Joëlle Rose Benhamou, Simone Mende, Marek Egert, Moritz Nikolaus Koch, Dieter Wahlbuhl
Dauer ca. 2 Stunden 20 Minuten, inklusive einer Pause
Premiere am Samstag, 14. Februar 2015, 19:30 Uhr, Großes Haus
Pressestimmen:
„Das Besondere an dieser Uraufführung ist der Fokus, den Müller gelegt hat: Im Zentrum der knapp zweistündigen Aufführung stehen Texte von Künstlern wie Else Lasker-Schüler, Erich Maria Remarque oder die Erlebnisse von Hans Reisiger, die Edlef Köppen in seinem „Heeresbericht“ verarbeitet hat. Und wer weiß schon, dass Bertolt Brecht den Krieg anfangs für unumgänglich hielt, Franz Marc noch 1916 an den Endsieg glaubte und Käthe Kollwitz ihren jüngsten Sohn auf dem Schlachtfeld verloren hat. (…)
Regisseur Müller gelingt es, durch Wechsel von Rhythmus (schnell, langsam, Zeitlupe) und Genres (Lied, Gedicht, Brief) sowie Bewegung (Regale werden erklettert, dienen als Unterstand, Tische werden zur Schulbank oder zum Gerichtssaal), den Spannungsbogen immer wieder anzuspannen, die Texte sinnlich erlebbar zu gestalten. (…)
Am Ende gleicht die Bühne einem Schlachtfeld. Kriegsheimkehrer sind gezeichnet, der Wahnsinn hat auch zu Hause kein Ende. Traumatisierung, damals wie heute. Ein Abend, dem man sich nicht entziehen sollte. Denn „Er verging wie der Rauch“ ist mehr als ein Anti-Kriegs-Stück. Er ist lebendige Literatur.“
(Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 16. Februar 2015)
„Regisseur und Autor Reiner Müller hat sich durch literarische Zeugnisse der Zeit gegraben und aus Briefen, Gedichten, Prosa und Berichterstattung seine Collage geklebt, die an keiner Stelle den Spannungsbogen verliert: Zwischen patriotischer Verlautbarung einer Mobilmachungserklärung und dem euphorischen Taumel der ersten Freiwilligen – „Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen.“ Zwischen Liebesbrief und der Beschwörung vergangener Seligkeit, Fakten wie Gefallenen- und Selbstmordraten an der Front und der ernüchternden Erkenntnis, was Krieg aus Menschen macht.
In der Tradition des antiken Chorus unterbricht sich diese Folge, um dem Publikum einen Giftgasangriff oder „Schnellfeuer“ auf eine Art vorzusagen, dass man in seinem Theatersessel wie angenagelt sitzt und sich sogar den Atemrhythmus unter der Gasmaske oktroyieren lässt. (…)
Die Darsteller fürchten sich nicht vor markigen Worten, geben aber genauso zu bedenken, dass ein Krieg nicht einfach „ausbricht“, sondern gemacht wird und von wem. Es ist beste deutsche Geschichtsstunde, die eine Linie ins Heute zieht, ohne didaktisch zu sein. Das Ensemble liefert eine außerordentliche Leistung ab, agiert im pragmatischen wie praktischen Bühnenbild von Elisabeth Benning flüssig und sehr überzeugend.
Endlich verschrieb sich Theater wieder einmal bühnentauglich den Widersprüchen einer Zeit, ohne Gegenwart aus dem Auge zu lassen. Es beschäftigt sich nicht mit sich selbst, sondern ist bestes, mitteilsames Sprachrohr.
Denn: Theater müsse Realität „wie ein Menetekel an die Wand malen“, war sich der Regisseur Armin Petras sicher – das Menetekel Krieg, das Damoklesschwert, das über der Welt schwebt, seit sich ihre Bewohner in Besitzende und Besitzlose teilten, war spürbar an diesem beängstigend dichten Abend.“
(Kulturverein Bad Bevensen, 5. März 2015)
„Vom Schützengraben in die Anstalt – Textcollage „Er verging wie der Rauch“ zum Ersten Weltkrieg überzeugte restlos.
Teure Spezialeffekte nach Hollywood-Manier braucht Reiner Müller nicht, um auf selten eindrucksvolle Art und Weise erfahrbar zu machen, was Krieg ist. Die Inszenierung der Textcollage lebt vielmehr von dem engagierten, hochkonzentrierten Ensemble und der überlegten Auswahl literarischer Texte, die im Zusammenspiel auf die Vorstellungswelt der Zuschauer einwirken – und dort Grausames entstehen lassen. (…)
Müller und sein Ensemble brachten inhaltsschwere und zugleich ästhetisch hochwertige literarische wie geschichtliche Bildung auf die Bühne. Hochachtung verdienen die fünf Darsteller für eine eindrucksvolle Performance.“
(Die Harke, 27. Februar 2015)
„Den Kontrast zu den gefühlvollen poetischen Passagen bilden die Kriegsszenen am Bühnenrand, die die Grausamkeit von Schützengraben und Schlachtfeld thematisieren. Immer wieder werden die Zuschauer miteinbezogen, sodass sich kaum jemand der Thematik entziehen kann. Für das Publikum eindrucksvoll lebendig gewordene Literatur, für manch einen aber auch eine Herausforderung.“
(Alfelder Zeitung, 9. März 2015)
„Dieses dramaturgische Konzept hat Niveau und Klasse, man kann Reiner Müller dazu nur gratulieren – auch, weil er als sein eigener Regisseur einen zeitgemäßen szenischen Rahmen dazu erdacht hat. (…) Es ist ein runder Abend, der den Krieg versucht zu fassen, indem er ihn durch die künstlerischen Zeugnisse jener Zeit umkreist und durch den körperlichen Ausdruck auf der Bühne erfahrbar macht, wie es nur das Theater kann. Dabei bleibt der Abend auch in der Schilderung des Grausamen immer ästhetisch, so dass es letztlich eine Geist und Seele im besten Sinne unterhaltende Bereicherung ist, ihn gesehen zu haben.“
(Kehrwieder, Hildesheim, 22. Februar 2015)